Ökumenisches Esperanto-Forum


Nummer 35 -  9. Jahrgang  -  September 1999
Inhalt:
U.Matthias: "Esperanto ­ Das neue Latein der Kirche" Buchbesprechung  von Prof. Dr. Peter Knauer SJ
Esperanto - Das neue Latein der Kirche:  Schenken und Verkaufen
Do you speak Esperanto? Bericht vom Esperanto-Weltkongress in Berlin und dem ökumenischen Kongress in Polen.
Vielfalt durch Einheit  Ein Bericht vom Internationalen Abend beim 84. Weltkongress im ICC Berlin
Toleranzmedaillean Papst Johannes Paul II.
Bilanz von 14 ökumenischen Kongressen
Fachsitzungen beim Weltkongress in Berlin  - von IKUE - von KELI
Pläne für 2000 und darüber hinaus
Gottesdienstemit Esperanto als Liturgiesprache
Briefe:Onhane, Belgien, Maurice Wouters;  Freiburg/Br, Dr. Otto Bechtold, GeneralvikarFreiburg/Br,Michael Bargmann
Impressum

Dr. Ulrich Matthias:
Esperanto ­ Das neue Latein der Kirche

Die internationale Sprache im Dienst der Verständigung unter evangelischen und katholischen Christen
Meßkirch: Armin Gmeiner Verlag 1999. 128 S. 19,80 DM. ISBN 3-926633-39-5

Rezension von Prof. Dr. Peter Knauer SJ, Frankfurt/Main

Auf den ersten Blick könnte der Titel des Buches etwas hochgegriffen erscheinen. Der Autor selber meint: »Ich weiß nicht, ob sich Esperanto einmal durchsetzen wird, denn ich kann die Zukunft natürlich nicht vorhersehen. Aber ich halte dies für möglich und für wünschenswert. Und darum arbeite ich dafür.« (101) Deshalb bietet das vorliegende Werk zunächst Information über diese Sprache.

Esperanto hat sich in den 112 Jahren seines Bestehens als die erfolgreichste Plansprache erwiesen; sie wird heute vermutlich von einer bis drei Millionen Menschen (nach anderen vier Millionen) in 120 Ländern gesprochen (14). Es handelt sich um eine im wesentlichen »aposteriorische« Sprache, welche die Wurzeln ihrer Wörter und die gelungensten grammatischen Problemlösungen aus bestehenden Sprachen übernommen hat. Sie kommt mit 16 grammatikalischen Grundregeln aus (drei dieser Regeln als Beispiele: alle Wörter werden auf der vorletzten Silbe betont, alle Substantive enden auf o, alle Adjektive auf a). Wer eine einzige Vokabel gelernt hat, verfügt damit oft bereits über bis zu dreißig Wörter, die sich mit Endungen oder Vorsil-

ben ableiten lassen. Diese Endung und Vorsilben kann man ihrerseits für die verschiedensten Grundwörter verwenden. Eine solche Endung ist zum Beispiel -ej für den Raum, in dem man etwas tut. Preejo ist die Kirche, lernejo die Schule, manejo der Speiseraum, dormejo der Schlafraum. Es handelt sich um eine außerordentlich flexible Sprache; kaum eine andere Sprache dürfte sich mehr zu Wortspielen eignen. Sie ist einfach auszusprechen; in ihrer Hörverständlichkeit und Klangschönheit ist sie am ehesten dem Italienischen zu vergleichen.

Der Hauptvorzug dieser Sprache besteht in ihrer leichten Erlernbarkeit. Schüler in Fernost lernen diese Sprache in etwa 200 Unterrichtsstunden, um die gleiche Kompetenz zu erreichen, für die man bei Englisch 1500 Stunden in Ansatz bringen muss; Lernexperimente in Deutschland haben zu dem Ergebnis geführt, dass nach Esperanto-Unterricht von 200 Stunden für das Erlernen einer weiteren Fremdsprache zwischen jeweils 250, 300, 400 oder 500 Stunden weniger Zeit für Russisch, Deutsch, Englisch oder Französisch erforderlich  sind als in Kontrollgruppen ohne Esperanto (86). Volkshochschulkurse in Esperanto kommen gewöhnlich mit 10 bis 20 Stunden aus, um die Kenntnisse zu vermitteln, die zum Lesen von Esperantotexten ausreichen (ebd.).

Publiziert wurden bisher ungefähr 40.000 Bücher und Broschüren in Esperanto; Bibel, Koran und Bhagavad-Gita sind längst in diese Sprache übersetzt worden (62). Von den ungefähr 200 Esperanto-Zeitschriften sind ca. 10% christlich inspiriert. Es gibt Esperanto-Übersetzungen zahlreicher Enzykliken und anderer kirchlicher Dokumente, Biographien von Heiligen (Franziskus, Dominikus, Edith Stein) in Esperanto, neben einer großen Zahl von Gebet- und Gesangbüchern (ebd.) Seit 1990 steht eine offiziell zugelassene Esperanto-Übersetzung des Römischen Messbuchs zur Verfügung. Radio Vatikan hat dreimal wöchentlich eine Sendung in Esperanto und erhält jährlich dazu etwa 1000 Zuschriften (63). Auch im Internet ist Esperanto gut vertreten.

Neben der leichten Erlernbarkeit ist ein besonderer Vorzug dieser Sprache ihre Neutralität (84), die niemanden allein aufgrund seiner Herkunft einem Gesprächspartner überlegen sein lässt. Der am meisten auf Unkenntnis beruhende Einwand gegen Esperanto besteht vermutlich in der Meinung, einer Plansprache müsse die Seele fehlen und sie sei nur technisch verwendbar; vgl. dagegen Gebete und Lieder im Anhang (124f). Esperanto will auch nicht andere Sprachen ersetzen, aber zwischen ihnen vermitteln und könnte vielleicht unnötige Kosten ersparen.

Weil bisher eine gemeinsame Sprache fehlt, wird heute ungefähr ein Drittel des Haushalts der EG-Kommission, über eine Milliarde Mark, für Übersetzungen zwischen den 11 Landessprachen aufgewandt.

Unter Esperantisten findet man gewöhnlich weltweite Gastfreundschaft. Der Autor berichtet von vielen guten Erfahrungen auf katholischen und ökumenischen Esperantotreffen insbesondere mit Jugendlichen. Bereits 1906 ließ Pius X. der Esperanto-Bewegung seinen Segen übermitteln; seit 1994 spricht der gegenwärtige Papst seinen Oster- und Weihnachtsgruß auch in dieser Sprache.

Ein Zitat des polnischen Kardinals Stefan Wysziski aus einem Gespräch mit dem damaligen Vorsitzenden der IKUE (Internationale Katholische Esperanto-Vereinigung: Internacia Katolika Unuio Esperantista) Anfang der 70er Jahre: »Auf dem 2. Vatikanischen Konzil erlitt das Latein eine Krise. ... Auf dem nächsten Konzil wird man Esperanto sprechen.« (55) Im Rückblick auf das II. Vatikanum sagte der Bostoner Kardinal R. Cushing: »Ich werde das Konzil nie vergessen! Ich verstand überhaupt nicht, worüber man sprach, denn ich hatte noch nie Reden in Latein gehört. Mir kam das alles spanisch vor. Ich weiß nicht, wieviel Teilnehmer sich in einer ähnlichen Situation befanden. Ich saß zwischen zwei alten, sehr verdienstvollen italienischen Kardinälen. Sie konnten kein Englisch und ich kein Italienisch.« (80)

Es sei noch erwähnt, dass Umberto Eco in seinem Werk »Die Suche nach der vollkommenen Sprache«, München 1995, dieser internationalen Sprache hohes Lob zollt. Das vorliegende Werk bringt viele zutreffende Gründe für solches Lob. P. Knauer SJ



Esperanto - Das neue Latein der Kirche:  Schenken und Verkaufen

Beim Kongress in Berlin kamen die ersten Exemplare von "Esperanto - das neue Latein der Kirche" auf den Verkaufstisch. Das Buch, das mit vielen Vorurteilen aufräumt und in die Hände aller gehört, die sich mit dem gegenwärtigen Zustand nicht abfinden wollen, liest sich leicht. Meine 93-jährige Schwiegermutter hat es in einem Zug ausgelesen - und war beeindruckt.  A.Bh

Unsere Abonnenten erhalten als Freundesgabe 1 Exemplar des Buches.
Wenn Sie uns dafür eine Spende zukommen lassen, können wir dafür nicht nur die Druckkosten decken, sondern auch schon ansparen für das ökumenische Gebets- und Gesangbuch ADORU. (Siehe ÖkEsFo 33, 1.Seite).
 Helfen Sie uns, unser neues Buch zu verbreiten. Man kann es in jeder Buchhandlung bestellen. Wenn  Sie einige Exemplare verschenken wollen, erhalten Sie bei Pfarrer Eichkorn (Adresse siehe im Impressum) große Ermäßigungen: Bei 2 Buchbestellungen 1 zusätzliches Freiexemplar. Ab 5 Bestellungen 50 % Ermäßigung; 10 Exemplare für 70.-DM und für jedes weitere Buch zusätzlich 1,50 DM (ja - 1½ DM), immer + Porto; 100 Exemplare für 200.-DM + 30 DM Porto + 5 DM Verpackung. B.E


Do you speak Esperanto?

Bericht vom Esperanto-Weltkongress in Berlin und dem ökumenischen Kongress in Polen, verfasst für den "Teckboten" in Kirchheim unter Teck.

"Der Kongress tanzt", hieß es einmal in Wien. "Der Kongress singt" könnte man von den beiden Esperanto-Weltkongressen sagen, die in den ersten beiden Augustwochen in Berlin und dann in Gliwice (Gleiwitz) in Polen stattgefunden haben, der erste mit fast 3 000 Teilnehmern aus aller Welt, der zweite als ökumenischer Kongress mit immerhin nahezu 300 Teilnehmern von Malaysia bis England und von Finnland bis Tansania und Südafrika. Waren in Berlin die Teilnehmer aus dem Gebiet des Teckboten, sechs an der Zahl, mit beachtlichen 0,2 Prozent vertreten, so war der Kongress in Gleiwitz gar in fester Hand der Teckschwaben, denn Pfarrer i.R. Adolf Burkhardt leitete von früh bis spät die Versammlung mit einem Elan, der sogar den Teilnehmern des gleichzeitigen Esperanto-Jugendlagers den Schneid abkaufte. Grete Burkhardt lockte täglich ein buntes Völkchen zum Folkloretanz - natürlich mit Ansage auf Esperanto. Ernst Leuze betätigte sich auf der Orgel und am Klavier. Auch bei der Jugend spielte Württemberg eine bedeutende Rolle: pädagogischer Leiter war der Herrenberger katholische Schuldekan.

Untergebracht waren wir in einer Eisenbahnerakademie. Selbst in Polen, wo täglich zwei Radiosendungen auf Esperanto ausgestrahlt werden, ist das kein Zufall, denn die Eisenbahner waren besonders eifrig im Erlernen der Plansprache. Sie konnten sie ja auch am besten brauchen. Wenn Stalin und Hitler die Esperantisten nicht so grausam verfolgt hätte und wenn die französische Regierung im Völkerbund der zwanziger Jahre weniger kurzsichtig gewesen wäre, dann sprächen heute noch viel mehr als nur eine Million Menschen diese internationale Sprache, die sich als einzige von über hundert Versuchen durchgesetzt und zu einer lebenden Sprache entwickelt hat; dann bräuchten wir bei der EU in Brüssel nicht ein ganzes Heer von Übersetzern und Dolmetschern; dann würde es auch nichts mehr ausmachen, dass man in Polen beim Versuch mit "Do you speak English?" oder "Parlez-vous français?" nur ein Achselzucken erntet (am ehesten kam man im ehemaligen Schlesien noch mit Deutsch durch) - dann würde man sich eben auf Esperanto verständigen wie auf diesen Kongressen auch, wo sich Japaner mit Amerikanern, Brasilianer mit Finnen, Deutsche mit Afrikanern völlig selbstverständlich austauschten, als hätte es die Babylonische Sprachverwirrung nie gegeben.

Vielleicht ist es gar kein Zufall, dass vor 3 000 und vor 100 Jahren es jeweils jüdische Autoren waren. Der eine überlieferte das einprägsame Bild mit dem babylonischen Turm. Der andere, ein Augenarzt, setzte dagegen seine Hoffnung (Esperanto - ein Hoffender - so nannte er sich), dass die Menschen auch ihre anderen Gottesgaben, nämlich Vernunft und den guten Willen, dafür verwenden könnten, aus ihrem Sprachgefängnis herauszutreten.

Wie unfassbar grausam, Menschen und Gott verachtend, in unserem Jahrhundert mit Menschen jüdischer Kultur und jüdischen Glaubens umgegangen worden ist, wurde bei einem Besuch im nahegelegenen Auschwitz den Esperantisten besonders deutlich. Es ist ja noch einmal ein Unterschied, ob Deutsche als geschlossene Gruppe durch Auschwitz und Birkenau gehen, oder ob sie sich in Gesellschaft von vielen anderen Nationalitäten befinden. Bis auf einen einzigen Enkelsohn, der jetzt in Berlin dabei war, ist die gesamte Familie Zamenhof - Brüder, Schwestern, Kinder und alle Nachkommen des genialen Schöpfers der internationalen Sprache - von den Nazis ermordet worden.

Ein weiteres Erlebnis hat sich besonders den deutschen Teilnehmern tief eingeprägt. Der Radiosender von Gleiwitz war ja Schauplatz eines schmutzigen Tricks, mit dem sich die Nazis 1939 den Schein des Rechts verschafften, um den zweiten Weltkrieg anzuzetteln. Wie durch ein Wunder hat der 90 Meter hohe Sendeturm aus Lärchenholz (schon deswegen lohnte sich ein Besuch!) den Krieg überstanden; er dient heute noch als Antennenträger für den Richtfunk. Die Gedenkminute der christlichen Esperantisten am Fuß des Mastes bedurfte einer Sondergenehmigung aus Warschau. Die Polen sorgen durch permanente Bewachung dafür, dass dieses wichtige Denkmal kommenden Generationen erhalten bleibt.

Zurück zum singenden Kongress. Ob Psalmodie, ob protestantisches Kirchenlied, ob Taizé-Gesang oder Folklore - von morgens bis abends wurde gesungen - auf Esperanto natürlich, und Pfarrer Burkhardt aus Weilheim war dabei der Motor, der alle mitriss. Sein pensionierter Kirchenmusikdirektor Ernst Leuze konnte am Flügel auch sein Scherflein dazu beitragen.

Es war schon beeindruckend, wie sich bei diesem Kongress in Polen der Begriff Ökumene ausweitete. Hier begegneten sich nicht nur die Konfessionen, sondern auch die Sprachen und Kulturen (unvergesslich die ukrainischen Volkslieder beim bunten Abend); es begegneten sich auch die Generationen. Alle waren hingerissen vom Theaterspiel der jüngsten Teilnehmer, die nach nur wenigen Tagen Unterricht in Esperanto schon ein Mundwerk hatten, als hätten sie nie etwas anderes gesprochen.

Der Kongress singt, das galt sogar gelegentlich beim großen Treffen im Berliner Kongresszentrum. Die Musik, ja auch eine internationale Sprache, spielte an jedem Tag ein große Rolle, besonders aber beim "internacia vespero", wo aus dem Kreis der Teilnehmer ein mitreißendes Programm geboten war. Dort war sich Pfarrer Adolf Burkhardt nicht zu schade, im internationalen Kongresschor unter bulgarischer Leitung mitzusingen, eine Erholung vielleicht nach drei anstrengenden Tagen, erst als Prediger beim ökumenischen Esperanto-Gottesdienst in der großen Marienkirche am Alexanderplatz, und dann, mit Kollegen aus Kanada, Indien, Frankreich und Albanien, als Simultandolmetscher zwischen Englisch, Esperanto und Deutsch bei einem wissenschaflichen Symposion über linguistische und sprachpolitische Fragen. So viel Weitblick ist selbst bei Esperantisten nur wenigen vorbehalten. Die normalen Sterblichen suchten den Weitblick von der Glaskuppel des Reichstages aus - natürlich im Esperanto-T-Shirt. Und als man dann mitten im Menschengewühle von einem Wildfremden begeistert mit "saluton!" gegrüßt wurde, dann war man richtig stolz darauf, dass man nun auch zu den Privilegierten gehören darf, die durch Esperanto Freunde und offene Türen auf der ganzen Welt haben.

KMD Ernst Leuze


Vielfalt durch Einheit

Ein Bericht vom Internationalen Abend beim 84. Weltkongress im ICC Berlin

Eigentlich ist es Hybris, als Neuling bei einem Weltkongress einen Bericht über einen wichtigen Abend zu schreiben. Aber weil ich - auf Esperanto natürlich - darum gebeten worden bin, will ich es wagen, meine Eindrücke wiederzugeben. Wenigstens e i n e n Vorteil habe ich: Alles war neu für mich, aufregend neu. Trotzdem, ich muss es zugeben, war ich etwas skeptisch. Wie sollte es möglich sein, aus den eigenen Reihen heraus ein abendfüllendes Programm zu gestalten, das hoffentlich mehr sein würde als ein dumpf-gemütlicher Esperanto-Familienabend. Familiär aber sollte und musste es ja werden, denn in den vorangegangenen Tagen hatte man sich ja kennen lernen können durch die gemeinsame Sprache. Was wird nun überwiegen - eine womöglich von mir zu entdeckende Esperantokultur, oder die Verschiedenheit der nationalen Kulturen, die hier aufeinander treffen würden?

Das erstere manifestierte sich am deutlichsten beim Auftritt des Kongresschores, im dem ich selbst die Freude hatte, mitsingen zu dürfen. Natürlich wurden originale Esperanto-Texte gesungen: Einmal auf Händels Evergreen aus Judas Maccabaeus, zum andern auf eine Originalkomposition von Dimitar Terziev aus Bulgarien, dem langjährigen Betreuer des alljährlichen Kongresschores. Leider war der Komponist erkrankt und musste einen Ersatz schicken. Dieser ließ sich zumindest in den Proben von seiner unerwarteten Aufgabe nicht gering verunsichern, hatte aber dann doch noch einen ehrlich umjubelten Auftritt vor über 2 000 Zuhörern. Die Verstärkeranlage des riesigen Saals verwandelte unsere musikalische Zufallstruppe in ein schlagkräftiges Heer.

Leider meinten die technischen Betreuer des Internationalen Kongresszentrums, sie müssten auch beim Steinway nachhelfen - mit dem Erfolg, dass der italienische Pianist Aldo Fiorentino auf einer gigantischen Musicbox zu klimpern schien. Das hatte er aber wahrhaftig nicht verdienst, denn sein Klavierstück von Mendelssohn war makellos gespielt - für Klassik-Liebhaber der Höhepunkt des Abends. Der Pianist war sich nicht zu gut, auch als Begleiter Dienste zu leisten, zum Beispiel bei den Brecht-Liedern, von einer Berlinerin gesungen, oder bei den Liedvorträgen eines Bassisten. Aber - und das ist der Welt Lohn - zumindest bei Brecht hätten dem Italiener ein paar "Haifischzähne" mehr nichts geschadet.

Weit entfernt von solchen Gedanken war man bei der fabelhaften Helena Puchowa aus Moskau, die sich nicht nur als Begleiterin des Mezzosoprans von Galina Staneschnikowa profilierte, sondern auch mit einer Eigenkomposition zum Kongress verblüffte, die sie singend und selbst dazu spielend uraufführte. Große Begeisterung im Auditorium!

Dass man Esperanto so selbstverständlich wie seine Muttersprache sprechen kann, stellte zumindest die Ansagerin des Abends, Katalin Smideliusz aus Ungarn, unter Beweis. Ohne fernseh-nachäffendes Pseudopathos machte sie uns auf die so verschiedenartigen Beiträge gespannt. So etwa auf die Pantomimenparodie oder das Ballet-Kabarett von Kim aus Dänemark. In einem Outfit, das irgendwo zwischen Eurhythmiekostüm, Ballet-Tutu oder Schlabberdress angesiedelt war, wurde uns ein Feuerwerk von tänzerischer Bewegung geboten, das einmal zum Lachen reizte, beim andernmal zu Bewunderung hinriss, aber immer faszinierte. Kategorie: Weder esperantisch noch international, sondern persönlich, originell. In eine ähnliche Richtung ging auch die Darbietung einer Koreanerin, deren Sinn so verborgen blieb wie die begleitende Bambusflöte, die laut aus den Lautsprechern zischte.

Da war man bei den beiden polnischen Tanzgruppen schon besser aufgehoben. Erstaunlich die Professionalität der Balletschule, und überaus herzanrührend die Jugendfrische der Volkstanzgruppe aus Polen. Dem süddeutschen Besucher wurde plötzlich bewusst, dass er seit der Wende nicht wie bisher nur ein großes Nachbarland im Westen hat, sondern nun auch ein kulturell hochbedeutendes und großes im Osten, Polen eben. Sehr bewegend auch der Liedvortrag der blinden Kongressteilnehmerin aus Tadschikistan in ihrer schmucken Tracht, umhuscht von einer ungenannten asiatischen Tänzerin.

Schließlich noch die Gitarren: Todesmutig wagte sich ein Italiener aufs Podium. Er hat es überstanden und wir auch. Einen Hauch von Latino vermittelte die Gruppe aus Brasilien.

Und Exotik, Liebreiz und frappantes Können erlebten wir beim Duo Natascha und Jomart aus Kasachstan.

Musik wird oft auch als internationale Sprache bezeichnet. Sie dominierte zwar an diesem Abend - verständlicherweise. Was die Menschen aber wirklich verband, war DIE internationale Sprache, das Esperanto. Ohne sie wäre nie und nimmer ein so zwangloses Nacheinander von so grundverschiedenen Kunstformen zustande gekommen. Esperanto ist also nicht nur eine Kunstsprache, sondern auch eine künstlerische Sprache - die Kunst ermöglicht und provoziert - in Vielfalt durch Einheit.
Ernst Leuze


Toleranzmedaille an Papst Johannes Paul II.

Bei seinem Polenbesuch kam der Papst auch in die Geburtsstadt des Begründers der Esperantosprache, des Augenarztes Dr. L.L. Zamenhof. Dort, in Bialystok in Nordostpolen, empfing der Papst als erster Preisträger am 10. Juni 1999 die neu gestiftete Toleranzmedaille der Zamenhofstiftung Bialystok. Sie wurde ihm überreicht von Dr. Ing. Louis Zaleski-Zamenhof, dem Enkelsohn des Esperanto-Begründers, der als einziger Zamenhof-Nachkomme den Holokaust überlebt hat und der neben andern Persönlichkeiten wie Erzbischof Szymecki dem Stiftungsrat angehört. Er würdigte das Eintreten des Papstes gegen Antisemitismus und Rassenhass und dessen Öffnung für die Ökumene. Zamenhof erinnerte daran, dass sein Großvater 1905 seine Rede vor dem Ersten Esperanto-Weltkongress mit einem Gedicht abschloss (Gebet unter der grünen Fahne), in dem es heißt: Christen, Juden und Muslime, wir alle sind Kinder Gottes. Der Papst reagierte, in Anspielung auf den Titel seines Buches von 1994: "Ja, Esperanto, Esperanto! Wagen wir es, die Schwelle der Hoffnung (= espero) zu überschreiten!"


Bilanz von 14 ökumenischen Kongressen

Der Schriftleiter hat dieses Mal gerne dem Kongressneuling, Kirchenmusikdirektor Ernst Leuze, das Wort überlasssen. Seit kurzem im tätigen Ruhestand, mag er mit seinen Berichten für manchen ein Anreiz sein, es nun auch mit der internationalen Sprache aktiv zu probieren - "L' Espéranto, cet inconnu" - weil es mehr zu bieten hat als die meisten vermuten. - Zum Kongress in Gliwice noch ein paar Ergänzungen (sozusagen für die Chronik - auch der beste Bericht kann ja das Erlebnis selbst nicht einmal annähernd ersetzen). - Nach dem Vorsitzenden des Vorbereitungsausschusses, der auch Vorsitzender des Polnischen Esperanto-Verbandes ist, sprach zur Kongresseröffnung der katholische Bischof von Gliwice ein Grußwort, ebenso der Vertreter der Stadt und der Rektor der Fachhochschule. Schriftlich grüßte der polnische Ministerpräsident. - Die inhaltliche Arbeit am Thema - "..damit sie alle eins seien" - Bilanz nach drei Jahrzehnten - eröffnete Pfarrer Eichkorn mit Einführungen in die einzelnen Abschnitte der Schrift "Kleiner Ökumenischer Katechismus" von Heinz Schütte, den alle Teilnehmer in einer Esperanto-Fassung in der Hand hatten (vgl S.143 in der vorigen Nummer). In den Gruppenarbeiten, auf die sich allerdings nur eine Minderheit einließ, ergaben sich lebhafte Gespräche. Auch für Fachkundige ist es überraschend, wie umfangreich die Gebiete sind, wo alle Konfessionen übereinstimmen, so dass die (wirklich vorhandenen und nicht zu leugnenden) Unterschiede doch sehr an Bedeutung verlieren oder schon verloren haben. - Die Schauspielerin Jadwiga Gibcziska präsentierte überzeugend das Theaterstück "Anta la butiko de juvelisto" (Vor dem Juwelierladen). Verfasser der polnischen Vorlage: Karol Wojtia! Mit gemeinsamem Singen ging es nach dem Theaterabend weiter. KMD Ernst Leuze setzte nach dem Auftritt der Künstlerin einen zweiten Höhepunkt mit einer virtuos improvisierten Sonate in vier Sätzen über das soeben gesungene "Venu, karaj" auf die Melodie von "Kommt, ihr Gspielen" von Melchior Franck. Wer eine Morgen- oder Abendandacht zu halten hatte, versicherte sich von da an der Mitwirkung des Musikers am Flügel.

Ganz neu waren die orthodoxen Beiträge aus Russland, der Ukraine und Bulgarien. Ein ganzer Vormittag war den Referaten von Laien und Theologen gewidmet. Überraschend grüßte der Vorsitzende eines in Bulgarien neugegründeten Orthodoxen Esperanto-Weltbundes. Es bleibt abzuwarten, ob man sich neben IKUE und KELI inskünftig auch TOLE merken muss. Ein Gottesdienst nach byzantinischem Ritus, die Göttliche Liturgie, wurde von Serhej Prudko aus Kiew mit seiner Schola und neun konzelebrierenden Priestern ganz auf Esperanto gehalten. Den ökumenischen Abschlussgottesdienst hatte Jacques Tuinder, der Blindenhelfer aus Holland, in bewährter Weise gestaltet.

Nicht so publikumswirksam, aber hochbedeutsam: erstmals kam es zu einer gemeinsamen Sitzung der Vorstände von IKUE und KELI mit einem nützlichen und zukunftsweisenden Austausch (vorher hatte man sich stets nur gegenseitig über die Ergebnisse der eigenen Sitzungen informiert). Zahlenmäßig hatten natürlich in Gliwice die Katholiken das Übergewicht. Aber sie haben das an keiner Stelle im negativen Sinn ausgenützt. Manche zählten zwar im voraus die Teilnehmerliste durch und hielten sich dann fern. Ich glaube aber nicht, dass sie gut daran getan haben. Ich habe nicht vorher Erbsen gezählt. Ich habe wieder beglückend erfahren, dass sich Vertrauen und Lernbereitschaft lohnen. A. Burkhardt


Fachsitzungen in Berlin

Es ist üblich, dass im Rahmen des Weltkongresses die Fachverbände zu eigenen Sitzungen einladen.

Die Katholiken machten den Anfang. Pfarrer Kronenberger moderierte die IKUE-Versammlung, die aus vielen spontanen Beiträgen bestand. Besonders eindrucksvoll der Bericht des polnischen Fernsehregisseurs Roman Dobrzynski über seine Filme mit Esperanto-Fassungen.

Bei der KELI-Sitzung sprachen die Vorstandsmitglieder Britta Rehm (Schweden), Schatzmeister Siegfried Krüger aus Heilbronn und der (noch) KELI-Vorsitzende (mit Berlin hat das letzte Jahr seiner Amtszeit begonnen) A. Burkhardt. Er betonte, dass alle wichtigen Ergebnisse der letzten Jahre aus der Zusammenarbeit mit IKUE hervorgegangen sind und plädierte dafür, diesen Kurs fortzusetzen.

Im Frauenbundhaus am Lietzensee in unmittelbarer Nähe des ICC wurde während der Kongresswoche jeden Morgen eine Messfeier gehalten, konzelebriert von Priestern aus Deutschland, Frankreich und Kamerun, danach eine ökumenische Morgenandacht in Gestalt der altkirchlichen Laudes oder der Morgenandacht aus dem bayerischen evangelischen Gesangbuch. Die Leitung lag in Händen von OStR Pfarrer Albrecht Kronenberger, der auch in Gliwice für die nötigen Liedblätter sorgte und wichtigster Motor für das kommende ADORU ist (Herzlichen Dank allen, die bisher geantwortet haben, und erneute Bitte, das gelbe Blatt ADORU sorgfältig zu beachten und sich an der Verwirklichung zu beteiligen).


Pläne für 2000 und darüber hinaus

Weltkongresse gehen stärker als früher auch aus Europa heraus - keine Selbstverständlichkeit bei Veranstaltungen, zu denen die Teilnehmer ihre Reise- und Aufenthaltskosten nicht aus irgendeinem Topf bezahlt bekommen, sondern dazu den eigenen Geldbeutel brauchen. Trotzdem: 2000 geht es nach Israel (Tel Aviv), 2001 nach Kroatien (Zagreb) und 2002 zum großen Kummer des unterlegenen belgischen Kortrijk nach Brasilien, in die Stadt Fortaleza.

Und die Christen? Nun, einmal werden sie sich bemühen, bei diesen großen Treffen präsent zu sein und die traditionellen Gottesdienste, Messfeiern und Fachsitzungen anzubieten, aber auch sonst nach Kräften mitzuarbeiten.

Eigene Kongresse: - 2000 wird es keinen ökumenischen Kongress geben, denn IKUE möchte zum Heiligen Jahr in Rom und Rimini unter sich zusammenkommen; KELI lädt deshalb ebenfalls zu einem eigenen Kongress ein, nach Janské Lázné in Tschechien (5.-12.8.). 2001 soll dann in oder nahe bei Zagreb ein Treffen sein, möglichst als der 15. ökumenische Kongress. Für das Brasilienjahr liegt noch keine konkrete Idee oder Einladung vor.


Gottesdienste mit Esperanto als Liturgiesprache

Stuttgart, Katharinenkirche (Ecke Olgastr.) jeweils 14.30 Uhr 9. Oktober und 13. November

Speyer, im Dom am Sonntag, 21.11.1999 um 15 Uhr Messfeier in Esperanto.

Villingen, in St. Fidelis am Freitag, 12.11.1999 um 18.30 Uhr anlässlich der Zamenhoffeier der Esperanto-Gruppe Villingen-Schwenningen.


Briefe
Onhane, Belgien

Tre estimata,

hodia matene mi ricevis vian libron "Esperanto. Das neue Latein der Kirche" mendita de UEA. ... Mi certe ne plu povas senerare skribi en la germana... Permesu al senprestia lingvo-uzanto skribi ladojn por via eldono. Maurice Wouters


Freiburg/Br

Sehr geehrter Herr Pfarrer Eichkorn,

lieber Mitbruder,

der Herr Erzbischof hat mit großem Interesse Ihre erfolgreichen Bemühungen um die Verbreitung der internationalen Esperanto-Sprache im Dienst der Ökumene zur Kenntnis genommen und lässt Ihnen für die Übersendung des Buches "Esperanto - das neue Latein der Kirche", das anlässlich des 10-jährigen Bestehens der Esperanto-Arbeitsgemeinschaft Freiburg herausgegeben wurde, sehr herzlich danken.

Ich schließe mich gerne diesem Dank an.

Dr. Otto Bechtold, Generalvikar

Anmerkung von B.E.: Genau 10 Jahre vor dem Erscheinen unseres Buches hat der Erzbischof von Freiburg/Br. unsere IKUE-Arbeitsgemeinschaft durch Generalvikar Dr. Bechtold offiziell anerkannt. Und sicher hätten wir dieses Buch nicht herausbringen können, wenn nicht die IKUE-Arbeitsgemeinschaft kontinuierlich 10 Jahre lang mit Unterstützung der Erzdiözese Freiburg gearbeitet hätte.


Freiburg/Br

Nachdem nun schon wieder ein paar Tage seit dem Esperanto-Gottesdienst im Münster vergangen sind, ist es höchste Zeit, dass ich mich bei Ihnen melde.

Da ich durch die beiden Messen (in Mainz und in Freiburg) an der Sprache Esperanto Gefallen gefunden habe, möchte ich ein wenig mehr über sie erfahren. Auch wenn mir im Augenblick noch die Zeit fehlt, mich intensiver mit ihr zu beschäftigen, interessieren mich die aktuellen Diskussionen über Esperanto. Und somit möchte ich gerne auf Ihr Angebot zurückkommen und Sie bitten, mit ein Exemplar von Ihrer "Verbandszeitschrift" zuzuschicken.

Vielen Dank für Ihre Bemühungen und herzliche Grüße aus Freiburg Michael Bargmann


Impressum

Herausgeber: Adolf Burkhardt und Bernhard Eichkorn.

Alle Zuschriften für den Inhalt: an Adolf Burkhardt, Gimpelweg 1, D­73235 Weilheim an der Teck. Tel./Fax 0/7023-72413. Nicht gezeichnete Artikel verantwortet A. Burkhardt;

Zur Adressenliste: an Bernhard Eichkorn, St. Fidelis, Romäusring 20. D­78050 VS-Villingen. Telefon: 0/7721-22073; Telefax: 0/7721-22074. Netzanschrift: Bernhard.Eichkorn@esperanto.de.

Das komplette ÖkEsFo-Archiv findet man in den Netzseiten von St. Fidelis, die von Bernhard Eichkorn besorgt werden: http://home.t-online.de/home/st-fidelis in der Abteilung Esperanto-ÖkEsFo.

Kuvertierung und Versand: diesmal vom Pfarrhaus St. Fidelis aus, weil die Bücher mitgeschickt wurden.

Spenden helfen uns weitermachen. Sie erhalten bei Beträgen über 10.­DM eine Spendenbescheinigung der Pfarrei St. Fidelis für das Finanzamt. Bei 10 oder 20 DM empfiehlt es sich, den Geldschein einem gut verschlossenen gewöhnlichen Brief beizulegen. Sie sparen so die im Verhältnis hohen Überweisungsgebühren, insbesondere bei Banküberweisungen und aus dem Ausland. Bei Hunderten von Briefen seit 9 Jahren sind uns keine Verluste auf dem Postweg bekannt geworden.

Vergelts Gott für jede Hilfe, ob neue Adressen, ob Spende. Durch Völkerverständigung festigen wir den Frieden unter den Völkern. Esperanto ist hierzu ein ganz hervorragendes Hilfsmittel. Schicken Sie uns Adressen von Personen, die Interesse für Esperanto in der Kirche äußern. Diese bekommen dann zweimal eine Probenummer zugeschickt mit der Bitte, sich bei Dauerinteresse einmal schriftlich zu melden.

Konten: B. Eichkorn, Sparkasse VS (BLZ 694 500 65) Kto-Nr. 1041 2089 oder: Postbank Stuttgart Nr. 211 93-704 B. Eichkorn, auch echk-xbei UEA.


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